Das Bundesministerium für Justiz hat gestern Abend eine Pressemitteilung veröffentlicht, die über den Beschluss der Bundesregierung zu einen Gesetzentwurf informiert, mit dem verbindliche europäische Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ins deutsche Recht umgesetzt werden sollen.
Der am 24.07.2024 im Kabinett beschlossene Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Die Richtlinie wurde im Rahmen des „European Green Deal“ und der Strategie der Europäischen Kommission zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft verabschiedet.
Der Entwurf sieht vor, die europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem Prinzip 1:1 umzusetzen. Unternehmen werden dadurch künftig verpflichtet, zusammen mit ihrem Jahresabschluss einen sogenannten Nachhaltigkeitsbericht bereitzustellen. Damit soll der Umgang von Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette transparenter gemacht werden. Die Angaben sollen durch Wirtschaftsprüfer geprüft werden.
Schon nach bisheriger Rechtslage sind in Deutschland bestimmte Unternehmen zur Abgabe von Nachhaltigkeitsinformationen verpflichtet. Diese Informationen sind Gegenstand der sogenannten nichtfinanziellen Erklärung. Die Erklärung enthält allerdings nur sehr grundlegende Nachhaltigkeitsinformationen. Sie wird künftig durch den deutlich umfangreicheren Nachhaltigkeitsbericht abgelöst. Die Anzahl der Unternehmen, die künftig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen, wird deutlich größer sein als die Zahl von Unternehmen, die bislang eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben mussten. Auch werden Umfang und Detailgrad der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vergleich zur bisherigen nichtfinanziellen Erklärung deutlich ausgeweitet. Wesentlicher Grund hierfür sind die sehr umfangreichen Europäischen Nachhaltigkeitsstandards, die die gesetzlich vorgeschriebenen Nachhaltigkeitsberichtspflichten konkretisieren und vertiefen.
Die neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wird soll in Deutschland schrittweise in Kraft treten. Für das erste Geschäftsjahr 2024 gilt die Nachhaltigkeitsberichterstattung nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern. In den nachfolgenden Geschäftsjahren werden bis 2028 stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen einbezogen.
Von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden schätzungsweise rund 14.600 deutsche Unternehmen betroffen sein (insbesondere Kapitalgesellschaften, haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften). Auch zahlreiche Krankenhäuser sind von der Umsetzung insbesondere ab dem Geschäftsjahr 2025 betroffen.
Der bürokratische Aufwand für die Unternehmen soll dabei auf das absolut erforderliche Mindestmaß begrenzt werden. Um doppelte Berichtspflichten zu vermeiden, werden auch Änderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) vorgeschlagen. Unternehmen sollen ihre Berichtspflicht nach dem LkSG künftig durch Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts erfüllen können: Sie können mit einem Bericht also zwei Pflichten gleichzeitig erfüllen.
Der Regierungsentwurf sieht nach Angaben des Ministeriums insbesondere vor:
- Anpassung der Regelungen im Handelsgesetzbuch hinsichtlich der Rechnungslegungsunterlagen der in den Anwendungsbereich einbezogenen Unternehmen. Betroffen sind insbesondere die Vorschriften zum Lagebericht, zum Konzernlagebericht und zur Prüfung:
- Von den Vorgaben erfasste Unternehmen müssen ihre (Konzern-)Lageberichte um einen Nachhaltigkeitsbericht erweitern. Dieser wird künftig auch Gegenstand der Prüfung wahlweise durch den Abschlussprüfer des Jahresabschlusses oder durch einen gesonderten Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts sein. In den Nachhaltigkeitsbericht sind diejenigen Angaben aufzunehmen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten der Kapitalgesellschaft auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage der Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Nachhaltigkeitsaspekte sind Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren. Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wird auf näher bestimmte Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat erweitert, sofern diese Unternehmen (ggf. konzernweit) einen Gesamtumsatz von mehr als 150 Millionen Euro in der EU insgesamt haben.
- Ferner werden Anpassungen der berufsrechtlichen Regelungen insbesondere über die Aus- und Fortbildung von Wirtschaftsprüfern, die Berufsgrundsätze, die Qualitätskontrolle und die Berufsaufsicht über Wirtschaftsprüfer mit Blick auf die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten durch Wirtschaftsprüfer vorgenommen.
- Durch Änderungen im Aktiengesetz soll geregelt werden, dass das für die Prüfung zuständige Organ der Aktiengesellschaft künftig auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung kontrollieren und prüfen muss.
- Im Wertpapierhandelsgesetz sollen mit den vorgeschlagenen Regelungen die Änderungen der Transparenzrichtlinie infolge der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Emittenten nachvollzogen werden.
- Zudem sollen die berufsrechtlichen Regelungen der Wirtschaftsprüferordnung, insbesondere über die Aus- und Fortbildung von Wirtschaftsprüfern, die Berufsgrundsätze, die Qualitätskontrolle und die Berufsaufsicht über Wirtschaftsprüfer mit Blick auf die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten durch Wirtschaftsprüfer angepasst werden. Ferner soll die zusätzliche Prüfung zum Prüfer für Nachhaltigkeitsberichte in der Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung näher geregelt werden. Bei der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte soll sichergestellt werden, dass diese durch sachkundige, unabhängige und für diese Aufgabe qualifizierte Prüfer erfolgt, die strengen Berufsgrundsätzen, einer fortlaufenden Qualitätskontrolle und der Berufsaufsicht unterliegen.
Worin unterscheidet sich der vorliegende Regierungsentwurf gegenüber dem bisherigen Referentenentwurf?
- Ersatzlose Streichung der Pflicht zur Erstellung eines Prüfungsberichts zum Nachhaltigkeitsbericht: Die Pflicht zur Erstellung eines Prüfungsberichts ist unionsrechtlich nicht erforderlich und wurde daher gestrichen.
- Weitere Optimierung des LkSG-Ersetzungsrechts zur Vermeidung doppelter Berichtspflichten: Auf Hinweis vieler Verbände wurden weitere Änderungen an der LkSG-Vorschrift vorgenommen, um das Ersetzungsrecht noch praxisgerechter zu gestalten (u.a. zur besseren Berücksichtigung von Konzernkonstellationen). Auch wurde die Einreichungsfrist der LkSG-Berichte für das Geschäftsjahr 2023 nochmals bis 31.12.2025 verlängert.
- Anpassung der Vorschrift zur Prüferbestellung: Der Referentenentwurf enthält auf vielfache Praxisbitte eine gesetzliche Fiktion, dass ein Abschlussprüfer, der vor dem Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes zur Prüfung des (finanziellen) Jahresabschlusses bestellt wurde, auch als Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gilt. Diese Fiktionsvorschrift wurde nun noch rechtsklarer gefasst.
Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung in nationales Recht hätte bis zum 6. Juli 2024 erfolgen müssen. Ob ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird, liegt im Ermessen der Europäischen Kommission. Über das Geschäftsjahr 2024 muss allerdings erst im Frühjahr 2025 berichtet werden. Die gesetzlichen Anpassungen sollen nach Ansicht des Ministeriums bis dahin vorgenommen sein.
Folgende Dokumente stehen zur Verfügung:
- Synopse zum Regierungsentwurf (Stand: 23.07.2024) Hinweis: Die Synopse dient als Arbeitshilfe. Sie ist nicht Bestandteil des rechtsverbindlichen Textes der Gesetzesvorlage.
- Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
- Informationspapier – Gesetz zur Unsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)